Öffentliches Raumgefüge

Author
Peter Petz
Published on
Jun 1, 2011

Jörg Wessendorf und Atelier Loidl gewinnen den Wettbewerb Stadtraum Bayerischer Bahnhof in Leipzig und stellen sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Bayerischer Bahnhof, Bestand (Foto: Matthias Möller, medial mirage, Leipzig) 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für Leipzig?
Die Entwicklung des Stadtraumes im südlichen Umfeld des Bayerischen Bahnhofs bietet die große Chance, die letzte große Stadtbrache Leipzigs in zentraler Lage in einen lebendigen Stadt- und Landschaftsraum zu verwandeln und die angrenzenden Stadtteile miteinander zu verknüpfen. Bisher ist das ehemalige Eisenbahngelände im Stadtraum nicht wahrnehmbar. Gleichzeitig wird ein Beitrag geleistet, Leipzigs Innenstadt durch einen attraktiven Grünzug mit seiner Seenlandschaft im Süden anzubinden.
Die ehemalige Rückseite wird damit zu einer der attraktivsten Wohnlagen in Leipzig. Die Idee des Wohnens an naturnaher Landschaft ist ein Alleinstellungsmerkmal und wird helfen, diesen Ort ins Bewusstsein der Bürger zu holen. Außerdem wird eine repräsentative Erweiterungsmöglichkeit der MDR-Media-City geboten. Der Standort ist nach Vollendung des City-Tunnels hervorragend angebunden.
Transformation 
Welche Vorstellung von Stadt und Gemeinschaft liegt Ihrem Entwurf zugrunde?
Wir sind der festen Überzeugung, dass das Grundmuster der traditionellen europäischen Stadt ein öffentliches Raumgefüge hervorbringen kann, das für die Entfaltung privaten und öffentlichen Lebens nach wie vor einen wichtigen Beitrag liefert.
Der Entwurf versucht die Sehnsucht nach landschaftlicher Weite mit den Vorzügen städtischen Wohnens und Arbeitens miteinander zu kombinieren und in einen symbiotischen Kontrast zu setzen.
Der ausdifferenzierte Stadtraum bietet ein breites Angebot öffentlichen Raumes. Sein robustes Grundgerüst ermöglicht typologische Vielfalt und damit eine ausgewogenen soziale Mischung.
Landschaftspark, Promenaden, Wege, Wiesen, Quariersplätze, Hofräume, allesamt sinnfällig miteinander verknüpft, schaffen Orte der Kontemplation, der nachbarschaftlich urbanen Gemütlichkeit, der Identifikation und Bühnen des öffentlichen Lebens. Räumliche Diversität spiegelt die Vielfalt der Gesellschaft in gleicher Weise wieder wie die seelischen Schwankungen jedes einzelnen.
In seiner Längsausdehnung ist der gesamte Park als außergewöhnliche Weite erfahrbar. Diese Art Landschaft löst durch ihre hohe Vielfalt das Versprechen nach Nischen des Einzelnen, nach Lieblingsräumen, nach dem Rückzug in die Landschaft mehr ein als ein vollkommen durchgestalteter Park. Differenzierung und Vielfalt des Individuums findet ihren Ausdruck in der räumlichen Vielfalt naturnaher Landschaft.
Lageplan 
Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?
Ehrgeiziges Ziel war die bestehende heterogene Vielfalt stadträumlicher Bezüge, Elemente und Typologien mit dem Entwurf zu einem ausbalancierten großen Ganzen zusammenzufügen, bei dem die Bahntrasse zu einem nahezu selbstverständlichen Abschluss der östlich gelegenen Bebauung und Freiflächen wird.
Es ging auf die Suche nach einer prägnanten Parkgestalt hoher Identifikation, die Bahnhof, Plattenbauten der Sechziger, gründerzeitliche Strukturen und MDR-Mediacity zueinander bringt und Leipzigs Diversität und Komplexität auf selbstverständliche Weise Rechnung trägt.
Schnitt, Lageplanausschnitte 
Welches stadträumliche Thema war Ihnen besonders wichtig?
Das städtebauliche Konzept basiert auf der Grundidee, den Stadtraum in einzelne Parkfelder zu gliedern und analog einer Perlenkette an der Bahnlinie aufzufädeln. Durch die alternierende Anordnung nach Osten und Westen wird ein Dialog zwischen beiden Seiten aufgerufen und eine Inwertsetzung der unterschiedlichen Teilräume erreicht.
Es lag uns am Herzen, aus den verschiedenen bestehenden Richtungen und Bezügen sowohl die prägnante wie auch selbstverständliche Großfigur des Stadtteilparks abzuleiten, als diese auch in die kleinere stadträumliche Binnenstruktur und Parkdetaillierung hineinzuziehen. Es war uns wichtig, charakteristische Orte hoher Aufenthalts- und Erlebnisqualität auf verschiedenen Maßstabsebenen zu schaffen, keine Brüche zu erzeugen, sondern Kontinuität aus dem Bestand abzuleiten und neu zu interpretieren; eine Mischung aus vertraut Gewohntem und inspirierend Neuem zu generieren. Jedes der einzelnen neuen Quartiere leitet sich aus dem bestehenden angrenzenden Stadtmuster ab, nimmt gleichzeitig Bezüge zur Gleisanlage und der gegenüberliegenden Parkseite auf und bildet eine klare Kante zum Park aus.
Öffentlicher Freiraum und Wohnbebauung 
Ist schon ein Rahmenplan beauftragt?
Die Beauftragung für die Erstellung des Masterplanes ist vorgesehen aber noch nicht beauftragt. Zurzeit finden noch interne Abstimmungen zwischen der Stadt Leipzig und der Deutschen Bahn statt, die beiderseits Eigentümer einzelner Grundstücke auf dem Areal sind und gemeinsam die Planung forcieren.
Vogelschau 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 06/2011
Stadtraum Bayerischer Bahnhof in Leipzig
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Urs Kohlbrenner, Vors.
Martin zur Nedden
Till Rehwaldt
Prof. Dr. Michael Koch
Prof. Christa Reicher
Annika Fischer
Prof. Johannes Ringel
Wolfgang Kunz

1. Preis
Arch.: Jörg Wessendorf
Berlin
L.Arch.: Atelier Loidl
Berlin

2. Preis
Arch. : Machleidt & Partner,
Berlin
L.Arch. : Sinai. Faust. Schroll. Schwarz
Berlin

3. Preis
Arch. : SMAQ
Berlin
L.Arch. : Anna Viader Soler
Berlin

4. Preis
Arch. : Thomas Schüler Architekten
Düsseldorf
L.Arch. : Faktor Grün
Freiburg