Lebendiges Stadtquartier

Autor:
Peter Petz
Veröffentlicht am
Feb. 16, 2011

André Poitiers Architekten Stadtplaner gewinnen den Wettbewerb um die Mitte Altona in Hamburg. André Poitiers stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Bestand (Foto: André Poitiers) 
Welche Bedeutung hat der Wettbewerb für Altona?
Altona ist seit der Industrialisierung durch Infrastrukturbauten der Eisenbahn geprägt. Bereits durch die erste Verlagerung des Bahnhofes im Jahre 1898 an heutigen Standort entstand qualitätvoller Stadtraum um den Platz der Republik. Nun eröffnet sich erneut die Chance durch die Verlagerung der Fernbahn vom Bahnhof Altona an den S-Bahnhof Diebsteich ein 30 ha großes innerstädtisches Areal, in Hamburgs Zentrum, neu zu entwickeln.

Ziel ist es die angrenzenden Stadtteile durch die Entwicklung einer Neuen Mitte in Zukunft besser miteinander zu verknüpfen und aufzuwerten. Ein lebendiges Stadtquartier mit vielfältigem und qualitativ hochwertigem Wohnraum entsteht. Zudem wird eine großzügige 10 ha große Grünfläche geschaffen. Ein zentraler Park, der die bisherigen Freiraumdefizite der angrenzenden Stadtgefüge ausgleicht und somit für den neuen Stadtteil sowie für die Umgebung neue Qualitäten generiert.
Schwarzplan, Sichtbezüge 
Welches stadträumliche Thema war Ihnen besonders wichtig?
Mit der Bahn und der Stadt stehen zwei Referenzen zur Verfügung, die der Zukunft der Mitte Altona besondere Bedeutung geben. Das Konzept fügt an der Schnittstelle der Stadteile diese beiden Assoziationsräume zusammen und entwickelt aus ihnen die Gestaltungsprinzipien für die städtebauliche Struktur und die öffentlichen Räume der Neuen Mitte Altona.

Die Gleisanlagen trennen die umliegenden Stadtteile stark. Ziel der Parkentwicklung ist die Schaffung eines weiten und offenen Freiraums mit Blick- und Wegebeziehungen in die angrenzenden Wohnquartiere und die Herstellung der bisher unterbrochenen Landschaftsachse von Elbe zu Volkspark. Der Entwurf generiert Wege- und Platzverbindungen, die zu einer großen Gesamtstruktur mit den umliegenden Stadtteilen verschmelzen. Die Quartiersnamen „Holstenquartier“, „An der Kleiderkasse“, „Alter Güterbahnhof“ und „Am Wasserturm“ verweisen auf die Historie des Geländes.
Lageplan 
Wie vernetzen Sie die Neue Mitte Altona mit der Umgebung ?
Eine genaue Analyse der angrenzenden Stadtgebiete und das Herausfiltern ihrer Qualitäten führt zu einem sehr sensiblen Entwurfsansatz. Um die neuen Quartiere bestmöglich einzugliedern, werden die vorgefundenen Strukturen aufgenommen und weiterentwickelt.

Zudem befindet sich immer ein Platz in ihrer Quartiersmitte. Jeder Quartiersplatz baut über Sichtachsen einen Bezug zu den Bestandsgebäuden und dem historischen Gelände auf. Dieses Zentrum gibt den einzelnen Quartieren also zusätzliche Identität und Individualität.

Über ein Wegenetze verstricken sich die neu geschaffenen Plätze untereinander, mit dem Park und mit den angrenzenden Stadtteilen. Dadurch fügen sich die Quartiere ganz selbstverständlich in die vorhandene Stadtstruktur ein.

Der Park wird neues, prägendes Element und liegt im Zentrum des Wettbewerbsgebietes. Er läuft weit über die Grundstücksgrenzen hinaus in die umliegenden Stadtteile weiter und knüpft diese an die neu entstehenden Qualitäten an.
Vernetzung 
Welches stadt- und freiräumliche Qualitäten soll das neue Quartier erhalten?
Die historischen Baudenkmäler (Güterbahnhof, Kleiderkasse, Wasserturm) in der Parkmitte dienen als Ankerpunkte und bereichern das öffentliche Leben. Sie behalten ihre solitäre Wirkung und stiften Identität für die Neue Mitte Altona.

Der Park gleicht Freiraumdefizite aus, die im bisherigen Stadtgefüge fehlen. Räumlich wird der Park in einen Rahmen aus Bäumen und eine große zusammenhängende freie Wiesenmitte, die „Gleiswiese“, gegliedert.

Um diese großzügige Parkfläche entwickeln sich die neuen Quartiere. Sie sind offen zur Umgebung und integrieren sich in die anschließende Stadtstruktur.

Die prägende Vielfalt von Altona und Ottensen ist das dominante Thema dieser neuen Stadtquartiere. Der Maßstab der umliegenden Bebauung wird aufgenommen und die neuen Gebäudekörper fügen sich in den vorhandenen städtischen Kontext ein. Sie orientieren sich an der Heterogenität in Bausubstanz und -struktur, der Körnung und Dichte und der starken Durchmischung hinsichtlich der Wohnungsvielfalt.
Ausschnitt Nord-Ost 
Wie organisieren Sie die Teilbereiche?
Zum Park hin bilden die Blockränder durch ihre Setzung eine eindeutig definierte städtebauliche Kante aus. Um die Quartierplätze ist kleinteiliger Einzelhandel organisiert. Somit zentriert sich das Gewerbe um die neuen Mitten und erzeugt dort eine Lebhaftigkeit und bietet Aktions- und Kommunikationsfläche für die Bewohner. Hier entwickelt der Entwurf eine besonders ausgeprägte Höhenstaffelung. Niedrigere Gebäudekörper schaffen Raum und ein gute Belichtung der Quartiersmitte, höhere Gebäude hingegen akzentuieren diese städtebaulich und tragen zur Adressausbildung bei. So entsteht ein vielfältige Urbanität, wie sie in Altona und Ottensen zu finden ist.

Im östlichen Teil des Güterbahnhofs schaffen wir eine Verwebung von Alt und Neu. Die ehemaligen Gleishallen verzahnen sich dabei mit eingestellten Wohnhäusern. Diese schieben sich von Osten in die Backsteinhallen, kragen über sie hinaus, sodass im Inneren der Hallencharakter erlebbar bleibt.

Die Nordhallen werden vom restlichen Güterbahnhof separiert und ihr Stahltragwerk wird freigelegt und skelettiert. Der filigran definierte Raum wird zur grünen Oase innerhalb des Parks.
Ideenteil 
Ist schon ein Masterplan in Arbeit?
Die Überarbeitung des Wettbewerbsentwurfes zu einem Masterplan erfolgt derzeit in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Oberstes Ziel ist es ein Quartier mit zukunftsorientierter Stadtplanung zu entwickeln und neuen Wohnraum für die Metropole Hamburg zu schaffen.
Das Konzept wurde durch die Öffentlichkeit äußerst positiv aufgenommen. Unter Beibehaltung des konzeptionellen Entwurfsgedanken werden aber weiterhin Anregungen aus den Bürgeranhörungen aufgenommen und in die weitere Planung durch unser Büro und das Büro arbos Freiraumplanung miteinbezogen.
Anmutungen 

Die gesamte Wettbewerbsdokumentation finden Sie in wa 02/2011
Mitte Altona in Hamburg
Einladungswettbewerb

Jury
Prof. Christiane Thalgott, Vors.
Prof. Henri Bava
Peter Berner
Prof. Anna Brunow
Franz Eberhard
Hans Gabányi
Dr. Reinhold Gütter
Prof. Ulla Luther
Jan Sörmer
Günther Vogt
Prof. Jörn Walter
Prof. Dr. Martin Wentz
Prof. Bernhard Winking

1.Preis
André Poitiers Architekten Stadtplaner
Hamburg
L.Arch.: arbos Freiraumplanung
Hamburg

2. Preis
Arbeitsgemeinschaft rohdecan translocal
Dresden
L.Arch. : Rehwaldt Landschaftsarchitekten
Dresden

3. Preis
AS&P Albert Speer & Partner GmbH
Frankfurt a. M.