Revitalisierung Kriechere 70 – oder: Vom baufälligen Haus zum Kleinod

Innauer Matt
23. Februar 2024
Foto: Adolf Bereuter
Herr Innauer, Herr Matt, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Markus Innauer: Das Haus, in dem wir arbeiten, ist im Dorf ganz besonders verankert. Das Bregenzerwälderhaus wurde früher landwirtschaftlich genutzt, später befand sich hier jahrzehntelang das Geschäft der Fotografenfamilie Hiller. In den 1960er-Jahren wurde der Stall von dem Architekten Leopold Kaufmann zu einem Fotoatelier umgebaut. Mitte der 1990er-Jahre wurde der Fotoladen geschlossen, daraufhin stand das Haus lange leer. 2012 durften wir dann mit unserem Büro in das Atelier einziehen. Durch den langen Leerstand war jedoch vor allem das Vorderhaus sehr stark in Mitleidenschaft gezogen, deshalb haben wir nach langem Planen und Überlegen das Haus 2021 saniert und revitalisiert. 

Das Bregenzerwälderhaus vor der Sanierung. Aufgrund des langen Leerstands war vor allem das Vorderhaus in schlechtem Zustand. (Foto: Adolf Bereuter)
Blick auf die revitalisierte Kriechere 70. (Foto: Adolf Bereuter)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Sven Matt: Das Fotostudio ist in den letzten zehn Jahren zu unserer zweiten Heimat und zur Inspirationsquelle unserer Arbeit geworden. Während der Revitalisierung stand dessen Erhalt deshalb an erster Stelle. Das Vorderhaus ließ sich aufgrund seines schlechten Zustands leider nicht mehr sanieren. Für den Neuaufbau haben wir die Formensprache des Bestands übernommen und sie zeitgemäß weiterentwickelt. Beispielsweise knüpft die Tragstruktur der Dachgeschosserweiterung an die vorhandenen Zwillingsträger an, und das straßenseitige Schaufenster wurde für die Rückfassade weiter interpretiert. 

Markus Innauer und Sven Matt haben im einstigen Fotostudio ihr Atelier eingerichtet. (Foto: Adolf Bereuter)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Markus Innauer: Das Bestreben, das Haus zu revitalisieren, entsprang nicht nur unserem persönlichen Wunsch, sondern vor allem dem sozialen und kulturellen Wert, den das Gebäude aufgrund seiner langen und besonderen Geschichte innerhalb des Dorfes hat. Uns war wichtig, den Bestand dorfräumlich in Struktur und Erscheinungsbild zu bewahren und die Tradition fortzuschreiben, diese aber auch zeitgenössisch zu interpretieren. 

Foto: Adolf Bereuter
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Sven Matt: Unser Büro quoll aus allen Nähten, was eine Erweiterung ins Obergeschoss nahelegte. Hiller-Nachfahre Rudolf Berchtel wünschte sich nach langem »Exil« in Dornbirn eine Wohnung in seinem ehemaligen Zuhause. Zusammen haben wir deshalb eine Baugruppe gegründet, um die Aufgabe der Revitalisierung gemeinschaftlich zu schultern. So standen wir das ganze Projekt über im Dialog und konnten allen Bedürfnissen bestmöglich gerecht werden.

In der wieder flottgemachten Kriechere befinden sich auch drei Wohnungen. Für das Projekt gründeten die Architekten mit Rudolf Berchtel eine Baugruppe. (Foto: Adolf Bereuter)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Markus Innauer: Bei der Revitalisierung waren auch Überlegungen hinsichtlich zeitgenössischer Ansprüche an Wohnraum und Nachhaltigkeit wichtig. Das Gebäudevolumen blieb unverändert, vielmehr wurde das Innere nachverdichtet. Die ursprüngliche Gliederung des Bregenzerwälderhauses in Vorderhaus, Tenne und Hinterhaus prägt weiter die Gebäudestruktur. Im Vorderhaus sind drei neue Wohneinheiten entstanden, das Atelier im Hinterhaus wurde in den Dachraum erweitert, der bislang ungenutzt geblieben war.

Lageplan (© Innauer Matt Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Innauer Matt Architekten)
Grundriss Obergeschoss (© Innauer Matt Architekten)
Grundriss Dachgeschoss (© Innauer Matt Architekten)
Schnitt (© Innauer Matt Architekten)
Bauwerk
Revitalisierung Kriechere 70
 
Standort
Kriechere 70, 6870 Bezau
 
Nutzung
Wohnen und Arbeiten
 
Auftragsart
Direktvergabe
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
Innauer Matt Architekten, Bezau
 
Fertigstellung
2022 
 
Fotos
Adolf Bereuter, Dornbirn 

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