Und sie blieben doch!

Urmann Radler Architekten
8. September 2023
Der Kindergarten, den Urmann Radler Architekten entworfen haben, ersetzt einen Vorgängerbau, der aus technischen Gründen abgebrochen werden musste. (Foto: Mark Sengsbratl)
Herr Urmann, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Nach langen internen Diskussionen entschied sich die Stadt Ried für den Verbleib des Kindergartens im Zentrum. Zwar musste das bestehende Gebäude aus technischen Gründen abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt werden, doch schon allein die Tatsache, dass sich die Stadt gegen den Trend stellte, neue Bauten auf der grünen Wiese zu errichten, macht das Projekt wertvoll. Das Aussterben der Innenstädte hat zum Großteil auch damit zu tun, dass sämtliche Funktionen möglichst autogerecht angeordnet werden. In Ried entschied man sich hingegen für die Belebung der Innenstadt, für Frequenz im Ort, für das Weiterbauen, für fußläufig und mit dem Fahrrad machbare Wege und gegen eine weitere Versiegelung von Grünraum sowie gegen das Generieren von motorisiertem Individualverkehr. Kurzum, das Besondere an dieser Bauaufgabe liegt im unaufgeregten, aber sehr effektiven Weiterbauen der Innenstadt.

Blick vom zentralen Kirchplatz auf den Ersatzneubau (Foto: Mark Sengsbratl)
Der Bildungsbau verfügt über einen rückwärtigen Garten. (Foto: Mark Sengsbratl)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Die historische Silhouette der Rieder Innenstadt mit ihren kleinteiligen Stadthäusern bedurfte eines sensiblen Umgangs. In diesem Sinne war die Geschichte der Stadt sowie die Übersetzung dieser ins Jetzt unsere Inspirationsquelle. Das Weiterbauen bedurfte in diesem Fall eines unaufgeregten Einfügens in die Umgebung, sodass die Identifikation mit dem Neuen reibungslos funktioniert.

Ein Kunst-am-Bau-Projekt von Dietmar Gruber bereichert die Architektur. (Foto: Mark Sengsbratl)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Unser Entwurf wurde im Rahmen eines geladenen Architekturwettbewerbs mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Alle Proponenten waren somit schon von Beginn an mit dem Projekt betraut. Unsere Gestaltung basiert natürlich auf den Anforderungen, den Wünschen und Anregungen aller, zusätzlich gab der geltende Bebauungsplan gewisse Rahmenbedingungen vor.

Nach dem Wettbewerbsentscheid begannen die Detailplanungen, viele intensive Gespräche mit den Verantwortlichen folgten. In Summe kann man sagen, dass gerade diese sehr enge und professionelle Zusammenarbeit das schöne Endergebnis ermöglicht hat.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Dem Grunde nach gab es keine gravierenden Änderungen, das Konzept wurde bis zur Eröffnung nicht verändert. Kleinere, teils technisch notwendige Änderungen gibt es freilich immer, der eingeschlagene Weg wurde aber nie verlassen.

In einem Gruppenraum (Foto: Mark Sengsbratl)
Im Foyer finden sich Raumnischen, die die Kinder sich kreativ aneignen können. (Foto: Mark Sengsbratl)
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Jedes Projekt steht für sich. Häuser sind Prototypen, keines ist mit dem anderen vergleichbar. Auch aufgrund der Vielfältigkeit unseres Büros sind Vergleiche mit bestehenden Bauten nur sehr schwer möglich. Ein Kindergarten stellt ganz andere Anforderungen an einen als ein Verwaltungsbau oder eine industrielle Produktionsanlage. 

Was die Nachhaltigkeit sowie das zukunftsweisende Denken in raumplanerischer Hinsicht betrifft, darf dieses Projekt durchaus hervorgehoben werden. Planen für Kinder ist stets eine besondere Herausforderung, aber immer eine wundervolle!

Das Stiegenhaus ist hell gestaltet. (Foto: Mark Sengsbratl)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Wir sprechen hier von einem Gebäude aus Ziegelwänden, das mit Hanf gedämmt wurde. Sein Dachstuhl aus Holz trägt eine PV-Anlage. Fernwärme versorgt die Heizung, energiesparende LED-Beleuchtung spendet Licht. Im Inneren geben «echte» Materialien wie Holz oder Putz den Ton an, alles zeigt sich so wie es ist. Das spürt man, wenn man durch ein Gebäude geht. Holz darf altern, Wände dürfen Gebrauchsspuren haben. Ein Haus muss leben können und darf nicht durch Materialien sprechen, die vorgeben etwas zu sein, das sie nicht sind. 

Lageplan (© Urmann Radler Architekten)
Grundrisse von links nach rechts: Erdgeschoss, 1. und 2. Obergeschoss (© Urmann Radler Architekten)
Schnitt (© Urmann Radler Architekten)
Bauwerk
Elisabeth Kindergarten Ried 
 
Standort
Kirchenplatz 2, 4910 Ried im Innkreis
 
Nutzung
Kindergarten
 
Bauherrschaft
Stadtgemeinde Ried im Innkreis
 
Architektur
Urmann Radler Architekten ZT GmbH, Linz
 
Fachplaner
Statik: DI Weilhartner ZT GmbH 
HKLS: Technisches Büro Ing. Wolfgang Taus
Elektrotechnik: Hapec GmbH
Spielplatz: Spiel.Raum-Creativ Meier KG
 
Kunst am Bau
Dietmar Gruber
 
Bauleitung
Andreas Berndorfer
 
Fertigstellung
2021 
 
Gesamtkosten
EUR 2.1 Mio.
 
Gebäudevolumen
4307 m3
 
Fotos
Mark Sengsbratl

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