Das Vorhandene wertschätzen

Tp3 Architekten
6. Oktober 2023
Andreas Henter und Markus Rabengruber sind der Meinung, dass heute noch oft zu gedankenlos und auch geringschätzig mit Altem umgegangen wird. Für sie hingegen gehört das Sanieren zu den freudvollsten Bauaufgaben. (Foto: Mark Sengstbratl)
Herr Henter, Herr Rabengruber, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Andreas Henter: Das sanierte und revitalisierte Pfarrheim fügt sich nun wieder harmonisch in das umliegende Ortsbild von Reichenau ein. Weil es uns wichtig ist, die gebaute Geschichte fortzuschrei­ben, haben wir das vorhandene Gebäude bewahrt und von überflüssigem Beiwerk befreien. Auf diese Weise konnten wir seine einst prägenden Merkmale wieder zum Vorschein bringen. Der Bestandsbau zeichnet sich architektonisch durch seine große Schlichtheit aus. Diese Qualität kommt jetzt von neuem zur Geltung.

Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Markus Rabengruber: Unsere Hauptinspiration lag zweifelsohne in der schlichten Architektur des Pfarrheims, die Andreas eben angesprochen hat, und in ihrer zeitlosen Wirkung. Unser Konzept für das »neue PfarrGemeindeZentrum« basiert daher auf einem minimalistischen Ansatz. Wir wollten eine behagliche Atmosphäre schaffen und setzten auf ausgewogene Materialien, klare Formen und Funktionalität. Auch im Inneren haben wir Bestehendes erhalten und seine Qualitäten herausgearbeitet. Zugleich sorgten wir dafür, dass die Räumlichkeiten den Anforderungen der Zukunft genügen.

Dem Pfarrheim kommt eine wichtige Bedeutung für das Ortsbild zu. Tp 3 Architekten haben das Bauwerk auf seine ursprüngliche Form zurückgeführt. (Foto: Mark Sengstbratl)
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Andreas Henter: Wir streben in unserer Architektur eine »Kultur der Reparatur« an. Das Schöne an diesem Projekt ist, dass nach wie vor alle tragenden Wände auf demselben Fundament stehen, auf dem das Haus vor rund 50 Jahren errichtet wurde. Obwohl man aufgrund unserer Eingriffe vielleicht auch von einem Neuanfang sprechen könnte, handelt es sich doch um einen Aufbau auf bestehenden Werten und Strukturen. 

Wir betrachten den Erhalt des Bestehenden als Wert. Immer öfter beschäftigen wir uns in unserer architektonischen Arbeit damit. Doch leider müssen wir wieder und wieder erkennen – nicht nur in der Architektur, sondern in unserer Gesellschaft generell –, dass Bestehendes gedankenlos »abgerissen« oder voreilig abgelehnt wird. Zu selten wird nachgedacht, wie man Vorhandenes in eine neue Zukunft führen kann, ohne dabei die Wurzeln zu kappen. Bei diesem Projekt jedoch ist genau dieser wertschätzende Umgang mit dem Alten gelungen.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Markus Rabengruber: Eine Bauaufgabe ist immer geprägt von der Umsetzung und der Erfüllung eines klaren Anforderungsprofils.

Im konkreten Fall setzt sich das Gestaltungskonzept der äußeren Erscheinung im Inneren der bestehenden Räumlichkeiten fort: Auch dort herrscht eine reduzierte Gelassenheit. Durch das zurückhaltende und funktionale Zusammenspiel der inneren Raumfunktionen wird in Verbindung mit natürlichen Materialien und Farben die selbstverständliche und präzise Architektur des Bestands gestärkt und ein zeitgemäßes Gesamtbild geschaffen.

Neu besitzt das Pfarrheim eine hinterlüftete Holzfassade. (Foto: Mark Sengstbratl)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Andreas Henter: Große Projektänderungen gab es nicht. Doch natürlich muss man als Architekt gerade bei einer Sanierung immer auf unerwartete Umstände reagieren. Das war bei diesem Projekt nicht anders.

Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten Ihres Büros ein?


Markus Rabengruber: Sanierungen machen einen großen Teil unserer Arbeit aus, und wir mögen diese Bauaufgabe ganz besonders. Uns ist wichtig, dass wir uns an der vorhandenen Architektursprache orientieren, wenn wir ein Gebäude in eine neue Phase der Nutzung überführen.

Viele unserer baulichen Eingriffe erkennt man erst auf den zweiten Blick. Dennoch bleiben unsere Interventionen aber am Ende immer ablesbar. Uns kommt es nicht darauf an, dass alles sauber und perfekt wirkt. Peter Zumthor, den wir sehr schätzen, sagte einmal, Architektur sei der Zeit und im Allgemeinen dem Leben ausgesetzt. Wir lieben es, das gesamte Leben eines Gebäudes und die daraus resultierenden Spuren abzubilden. Es ist nicht unsere Absicht, eine makellose Version eines Bauwerks zu erschaffen. Zeitlichkeit, Geschichte und die architektonischen Qualitäten eines alten Gebäudes zu bewahren, ist unser wichtigstes Anliegen beim Bauen im Bestand.

Naturbaustoffe wie Holz sorgen im Inneren für ein angenehmes und gesundes Raumklima. (Foto: Mark Sengstbratl)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


Andreas Henter: Ich denke, wir sind uns inzwischen weitestgehend einig, dass Nachhaltigkeit ein »Gebot der Stunde« ist. Jedes Bauprojekt sollte ökologisch, sozial und auch ökonomisch nachhaltig sein. Bei der Sanierung des Pfarrheims besteht ein Großteil der Dämmung aus nachwachsenden Rohstoffen. Außerdem haben wir die neue Fassade mit einer hinterlüfteten Holzverkleidung ausgeführt.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Andreas Henter: Wir haben Naturbaustoffe wie Stein, Kalk, Ziegel und Holz eingesetzt. Das ist umweltfreundlich, stärkt die bestehende Architektur und sorgt für ein behagliches, gesundes Raumklima.

Grundriss Untergeschoss (© Tp3 Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (© Tp3 Architekten)
Schnitte von oben nach unten: Längs- und Querschnitt (© Tp3 Architekten)
Bauwerk
Sanierung und Umbau des Pfarrhofs von Reichenau im Mühlkreis
 
Standort
Marktplatz 1, 4204 Reichenau im Mühlkreis
 
Nutzung
Pfarrhof
 
Bauherrschaft
Römisch-katholisches Pfarramt Reichenau im Mühlkreis, Diözese Linz
 
Architektur
Tp3 Architekten, Linz
Andreas Henter, Markus Rabengruber, Melanie Leitner, Katharina Danmayr und Nikolaus Schullerer-Seimayr
 
Fachplaner
Geometer: Vermessung Loidolt, Peter Anzinger und Wolfgang Leitner, Linz
Bauphysik: Wolfgang Kögelberger, Haibach im Mühlkreis
 
Fertigstellung
2022
 
Maßgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeister, Zimmerer, Dachdecker und Spengler: KAPL Bau GmbH, Bad Leonfelden
Baumeister/Kanal: Rabmer Management & Beteiligungs GmbH, Altenberg bei Linz
Installateur: Martin Mittermüllner, Bad Leonfelden
Elektriker: Dietmar Leitner, Haibach im Mühlkreis
Fenster und Sonnenschutz: Tischlerei Pühringer GmbH, Freistadt
Portalbau: Metallbau Hammerschmid GmbH, Pregarten
Außenanlagen: Swietelsky AG, Linz
Trockenbau: Martin Hofreiter GmbH, Pregarten
Fassade-VWS: Pero Petrovic, Vorderweißenbach
Maler: HAPPY-Maler GesmbH, Linz
Bodenleger: Bernhard Rittirsch, Reichenthal
Fliesen: Fliesen Christof GmbH, Freistadt
Schlosser: Jungwirth Metallbau Landtechnik GmbH, Königswiesen
Estrich: Raumausstattung Wiesinger GmbH, Eferding
Beleuchtung: Staskalicht GmbH, Leonding
Tischler: Tischlerei Füreder GmbH, Linz
Einrichtung: Grasböck & Kagerer Innenarchitektur GmbH, Haibach im Mühlkreis
Pflastersteine: Wegerbauer Transport u. Baustoffh. GesmbH, Reichenthal
Pflaster-Verlegung: leig Gartengestaltung und Pflasterbau e.U., Reichenthal
Schließanlage: Haus der Schlösser, Linz
 
Fotos
Mark Sengstbratl, Linz

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