Kindheitserinnerungen und Kontemplation

Georg Bechter Architektur + Design
3. Dezember 2021
In dem kleinen Bau am Waldrand kann man dem Alltag entfliehen und zur Ruhe kommen. (Foto: Jessica Alice Hath)
Herr Bechter, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das Besondere an diesem Projekt war die Aufgabe an sich – wann darf man schon ein Baumhaus entwerfen?

Der Bauherr hatte den Wunsch, einen Rückzugsort für sich und seine Gäste zu schaffen, der einerseits Erinnerungen an das einfache, schnörkellose Baumhaus der Kindheit weckt, andererseits aber mit Küche, WC und Dusche ein gewisses Maß an Komfort bietet. Die beiden Ansprüche auszubalancieren und eine angemessene Antwort für den besonderen Bauplatz zu finden, hat uns sehr viel Freude bereitet. 

Das Haus ist in die erste Baumreihe am Waldrand gut integriert. (Foto: Jessica Alice Hath)
Die Raumhöhen im Wohn-, Ess- und Kochbereich variieren zwischen 1,8 und 2,8 Metern. (Foto: Jessica Alice Hath)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Im ländlichen Raum bauen viele Kinder und Jugendliche mit großer Begeisterung Baumhäuser – als Kind verbaute man, was man fand oder was irgendwo übriggeblieben war. Daraus entstanden sind kleine, kompakte, in sich verschachtelte Hütten in den Baumkronen – meist nahe beim elterlichen Wohnhaus. Was im Erwachsenenalter davon bleibt, sind meist nur noch die Erinnerungen an die schöne, ungezwungene Zeit und den Spaß am Bauen. Diese Erinnerungen waren denn auch die Grundlage für das Projekt.

Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?


Vor sich die Weite und grüne Wiesen, im Rücken die Baumkronen des dichten Mischwalds – dieser besondere Standort am Waldrand im Spannungsfeld zwischen ganz unterschiedlichen Ausblicken, Atmosphären und Lichtstimmungen hat den Entwurf grundlegend geprägt. Er hat sowohl die Struktur der Architektur als auch die unterschiedlichen Qualitäten des Innenraums maßgeblich beeinflusst. 

An diesem Waldrand befinden sich eine Birke, ein paar Buchen und einige Fichten sowie Tannen, in deren Baumkronen der Ausblick in geschützter Nestatmosphäre erlebbar ist. Die lichte Struktur der umliegenden Bäume haben wir mit der Stelzenkonstruktion aufgegriffen, mit der das räumlich kompakte Gebilde in die Baumkronen gehoben wurde. Die Anordnung der Stelzen folgt einem Grundraster, aus dem in einem zweiten Schritt eine im Modell getestete willkürliche Anordnung hervorging, damit das Erscheinungsbild dem eines Stützenwaldes nahekommt. Die Stelzenkonstruktion wurden aus unbehandeltem Schwarzstahl gefertigt und fügt sich durch die natürliche Farbgebung gut in die Umgebung ein.

Sitzfenster mit schöner Aussicht in die umgebende Landschaft (Foto: Jessica Alice Hath)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


Besonders in der Planung beziehungsweise in der folgenden Ausführung war die Tatsache, dass das Haus zum großen Teil in Eigenleistung errichtet wurde. Zur Bauherrenfamilie gehören ein Tischler/Zimmerer und ein Schlosser. Als Gemeinschaftsprojekt wurde hier eng zusammengearbeitet, Details wurden im ständigen Austausch entwickelt und schlussendlich größtenteils durch die Bauherrschaft in feinster Handarbeit umgesetzt.

Die handwerkliche Ausführung des Baumhauses ist sehr präzise. (Foto: Jessica Alice Hath)
Waschen und Ankommen auf engstem Raum (Foto: Jessica Alice Hath)
Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?


Es gab keine Änderung, aber eine Aufgabe beziehungsweise Entscheidung, die bis kurz vor der Ausführung immer wieder zwischen der Bauherrschaft und uns hin und her gespielt wurde: die Fixierung der Fassade. Wir haben verschiedene Vorschläge rege diskutiert und deren Vor- und Nachteile genau analysiert. Am Ende wurde mit der unregelmäßigen Schindelfassade eine passende und dem Baukörper angemessene Fassade ausgeführt.

Duscherlebnis ganz nah an der Natur (Foto: Jessica Alice Hath)
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


Durch das bereits erwähnte handwerkliche Geschick der Bauherrenfamilie waren die Materialien Holz und Stahl relativ früh gesetzt. Die konsequente Verwendung dieser beiden Baustoffe zieht sich von der Tragkonstruktion bis zur Möblierung durch. Dies gibt dem Baukörper seine ruhige und schlichte Erscheinung. 

Blick von der Dachterrasse (Foto: Jessica Alice Hath)
Lageplan
Grundriss Ebene 1 und 2
Grundriss Ebene 3 und 4
Grundriss Dachterrasse
Schnitt
Bauwerk
Baumhaus
 
Standort
6934 Sulzberg
 
Nutzung
Ferienwohnung
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Privat
 
Architektur
Georg Bechter Architektur + Design, Hittisau
Projektleiter Michael Flatz
 
Fachplaner 
Statik: ZTE Leitner, Schröcken
 
Bauleitung 
Bauleitung erfolgte durch die Bauherrschaft
 
Jahr der Fertigstellung
2020
 
Fotos
Jessica Alice Hath, Horben

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