»Tower of Power«

goebl architecture
10. Mai 2019
Bild: Bruno Klomfar
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der Ausbau alternativer Energieträger sowie ein gesteigertes Interesse an der Elektromobilität mit daraus resultierender Häufung entsprechender Fortbewegungsmittel verlangen einerseits nach neuen Bautypologien und andererseits nach Antworten in der Ausbildung dahingehender Berufe. Ende 2011 traten drei engagierte Lehrende des BFI Wien an uns mit der Idee heran, auf diese aktuellen Trends am Arbeitsmarkt mittels Konzeption und Bau einer Lehr- und Forschungstankstelle für Elektrofahrzeuge zu reagieren, um damit das weite Themenfeld der »green jobs« verstärkt besetzen zu können. Schnell wurde für dieses Vorhaben grünes Licht gegeben und mit der Konzeption und Planung des »Tower of Power« konnte begonnen werden.

Der Bau in Wien-Brigittenau stellt einen neuen Typus dar. Es handelt sich um eine öffentlich zugängliche Tankstelle für Elektrofahrzeuge. Vier Pkws und vier E-Bikes können gleichzeitig über verschiedene Ladesysteme mit elektrischer Energie versorgt werden.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Zwei der urtümlichsten architektonischen Gesten, das Dach und der Turm, wurden formal miteinander verbunden. Sie schaffen einen Bautypus, welcher dem Projekt eine markante Form zuweist. Die technischen Bauteile zur Energiegewinnung bilden sich ebenfalls in der Gestaltung ab: Eine Windturbine sitzt mittig im Turm und die PV-Anlage ist in Form eines Sheddachs ablesbar.

Bild: Bruno Klomfar
Wie hat der Ort auf den Entwurf eingewirkt?

Für den »Tower of Power« bot sich von Anfang an ein im Besitz der Gemeinde Wien befindliches und über einen Baurechtsvertrag für das BFI verwendbares Grundstück an. Es befindet sich an einem Hauptstandort des BFI an der Ecke Innstraße/Handelskai im 20. Wiener Gemeindebezirk.

Diese Liegenschaft tangiert einerseits eine der Wiener Hauptverkehrsadern, den Handelskai, und andererseits ist die Donauinsel – ein wichtiges Naherholungsgebiet – in der Nähe. Darum steuern auch Besitzer*innen von E-Bikes die Tankstelle gerne an.

Mit der Positionierung des Turmes am Kreuzungspunkt von Innstraße und Handelskai wurde ein städtebaulich markantes Zeichen gesetzt. Er steht mit den beiden höchsten Wiener Turmbauten, dem Donauturm und dem DC-Tower von Dominique Perrault in optischer Verbindung.

Bild: Bruno Klomfar
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Der »Tower of Power« wurde als Lehr- und Forschungsobjekt konzipiert und zum Großteil von den Kursteilnehmer*innen des BFI gemeinsam mit führenden Firmen der E-Mobilitätswirtschaft errichtet. Diese sehr spezielle Konstellation hatte maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung. Durch die beschränken Möglichkeiten der Lehrwerkstätten und der Tatsache, dass das Gebäude von in Ausbildung befindlichen Menschen errichtet werden sollte, mussten die Bauteile in ihrer Dimensionierung und Materialisierung diesem Umstand Rechnung tragen. Sie wurden dahingehend optimiert.

Gab es bedeutende Projektänderungen vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk?

Dass fertiggestellte Gebäude sieht im Wesentlichen aus, wie auf den anfänglichen Schaubildern. Eine kleine Änderung betraf den Turm, der im Gegensatz zu seiner ursprünglich konzipierten Höhe von 11 m aufgrund einer Verordnung der Stadt bezüglich Tankstellenpylonen auf 7 m plus technischen Aufsatz (Windgenerator) reduziert werden musste.

Bild: Bruno Klomfar
Wie gliedert sich das Gebäude in die Reihe der bestehenden Bauten des Büros ein?

Das Gebäude hat eine absolute Sonderstellung in unserem Oeuvre. Andererseits ist es die Weiterentwicklung einer kleinen, mobilen und energieautarken Stromtankstelle für das – unter anderem induktive – Laden von E-Bikes für die Stadt Wien, die wir eher entwickelten.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das Dach der Stromtankstelle bietet Witterungsschutz, spendet bei Dunkelheit Licht beim Auftanken und nimmt 130 m2 Photovoltaikpaneele auf. Darunter finden die wesentlichen funktionellen Bestandteile der Tankstelle Platz – die Ladestationen. Das Gebäude selbst ist eine Stahlkonstruktion. Sie ist mit Aluminiumpaneelen verkleidet. Der »Tower of Power« ist direkt an das Wiener Stromnetz angebunden: Produziert er einen Energieüberschuss, wird dieses Plus in das Netz eingespeist. Umgekehrt bezieht die E-Tankstelle bei Bedarf Energie aus diesem. In Summe wird nicht mehr Energie an die Autos und Fahrräder abgegeben als vom »Tower of Power« selbst produziert wird.

Bild: Bruno Klomfar
Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Einerseits das induktive Ladesystem für Elektroautos der Firma SEW, das hier zum ersten Mal im öffentlichen Raum verbaut wurde, und andererseits das Material Aluminium, durch das die komplexe Geometrie der Hüllflächen von den Kursteilnehmer*innen mit einfachen Maschinen realisiert werden konnte. Auch die PV-Module und der Windgenerator hatten wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung des Bauwerks.

Situationsplan. Bild: goebl architecture
Grundriss. Bild: goebl architecture
Dachdraufsicht. Bild: goebl architecture
Längsschnitt. Bild: goebl architecture
Querschnitt. Bild: goebl architecture
Nutzung Tankstelle für Elektroautos und E-Bikes
Ort Innstraße 31, Wien
Bauherrschaft BFI Wien
Architektur goebl architecture ZT GmbH: Lukas Göbl, Andrés Espana, Oliver Ulrich, Alexander Enz
Fachplaner Tragwerksplanung: Bollinger und Grohmann, Frankfurt am Main, Deutschland | Elektroplanung: Sikom-Essra, Wilhelmsburg/Traisen | Ingenieurskonsulent für Maschinenbau: SVA – Schiffsbautechnische Versuchsanstalt Wien: Dr. Clements Strasser
Jahr der Fertigstellung 2017
Gesamtkosten 700'000 EUR
Auszeichnungen International Architecture Award 2018, Dezeen Award 2018, Anton-Benya Preis 2018, »Schorsch« der Stadt Wien / gebaut 2017, Wiener Umweltpreis 2017 (Nominierung)
Fotos Bruno Klomfar

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