Traditionsbewusst modern

obermoser + partner architekten
11. November 2022
Blick von der Hauptstraße über die Ötztaler Ache hinweg auf den Neubau im Ortszentrum von Sölden (Foto: Christian Flatscher)
Herr Obermoser, Herr Gasser, Herr Gastager, Herr Neuner, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Johann Obermoser: Die Lage an der Uferpromenade entlang der Ötztaler Ache im Zentrum von Sölden und der beengte Bauplatz waren die zwei ausschlaggebenden Entwurfsparameter. Unser kompakter Baukörper rückt hinter die frühere Baufluchtlinie zurück. Das ermöglichte uns, an der dem Fluss zugewandten Seite einen kleinen, vorgelagerten öffentlichen Platz zu schaffen. So wird die Funktion des Hauses als Sitz des Ötztaler Tourismusverbandes unterstützt: Gäste wie auch einheimische Besucher werden eingeladen, Informationen und Anregungen über die vielfältigen touristischen Angebote in der Ötztaler Bergwelt zu sammeln.

An der Ötztaler Ache ist vor dem Neubau ein einladender Platz entstanden. (Foto: Christian Flatscher)
Eine Brücke für den Langsamverkehr stellt die Verbindung zur Hauptstraße her, die auf der anderen Flussseite verläuft. (Foto: Christian Flatscher)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Thomas Gasser: Die repräsentative Bauaufgabe verlangte nach einer zeitgemäßen Gebäudeform, zugleich fiel die Wahl auf eine lokal vertraute und traditionelle Fassadenverkleidung: Lärchenholzschindeln. Diese Entwurfsentscheidung sendet eine vielseitig lesbare Botschaft aus: Der dynamische Baukörper mit einer modernen Formensprache baut Kontrast und Spannung auf und zieht so Aufmerksamkeit auf sich. Zugleich haben wir mit der traditionellen Fassadenverkleidung die regionale Bautradition aufgegriffen. So gliedert sich der Neubau gut zwischen die Bestandsbauten rundherum ein. Er passt nach Sölden und ins Tal.

Alexander Gastager: Der kompakte und scharf konturierte Baukörper neigt sich gleich einer verbeugenden Geste vor den Besuchern leicht zum Platz hin vor und steht so in starker Beziehung zum vorgelagerten öffentlichen Raum. Die einheitliche Pflasterung des Vorplatzes und des öffentlich zugänglichen Erdgeschosses verstärkt dieses Ansinnen. Und die mit großformatigen Scheiben verglaste Fassade zum Platz lässt das Gebäude noch einladender wirken.

In der obersten Etage befindet sich ein Sozialraum. (Foto: Christian Flatscher)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?


AG: Unser Entwurf spiegelt die Aufgaben des Ötztaler Tourismusverbandes wieder und untermauert gleichzeitig unseren Anspruch, regional inspirierte Bauwerke innerhalb eines internationalen Architektur-Kontextes zu schaffen. Das geräumige und wie gesagt der Allgemeinheit zugängliche Erdgeschoss steht für die aufgeschlossene und nach vorne blickender Haltung des Ötztal Tourismus. Die Obergeschosse beherbergen unterdessen Büros und Besprechungsräume.

Christoph Neuner: Um die flexible Nutzung über einen längeren Zeitraum zu sichern, sind alle Bürogeschosse entsprechend dem Open-Space-Konzept um einen zentralen Betonkern mit Erschließung und Sanitärräumen organisiert, die tragende Fassade umschließt die Räume. Flexible Raumtrennungen in Form von raumhohen Glaswänden und Möbeln ermöglichen eine vielfältige Nutzung, wobei Änderungen jederzeit mit geringem Aufwand möglich sind.

Im Stiegenhaus (Foto: Christian Flatscher)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?


CN: Unser Ziel war, das sich im Tagesablauf stetig ändernde natürliche Licht im Gebäude durch Öffnungen unterschiedlicher Größe bestmöglich zu nutzen. Die verschiedenartigen Öffnungen, die den holzverkleideten Baukörper »belebend« durchdringen, betonen zugleich seine kompakte Erscheinung.

Welches Produkt oder Material hat zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?


JO: Hinsichtlich der Frage, welche Materialisierung am besten zu unserem Projekt passen würde, entschieden wir uns für eine begrenzte und bewusste Auswahl von Baustoffen mit starkem regionalen Bezug. Holz ist vor allem in den alpinen Regionen ein wunderbar lebendiger Baustoff, der sein Erscheinungsbild in Abhängigkeit vom lokalen Klima verändert. So tritt er immer wieder anders in Erscheinung und wird unterschiedlich wahrgenommen. Holz als regional verfügbarer Baustoff bedeutet zudem kurze Transportwege und somit einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. So fiel unsere Wahl auf eine Fassadenverkleidung aus vorgegrauten Lärchenholzschindeln. Dadurch ist ein beständiges Erscheinungsbild des Baus über die Jahre hinweg gesichert.

CN: In den Innenräumen kam Eiche für Böden, Deckenverkleidungen und Möbel zum Einsatz. Die Oberflächen sind naturgeölt, die so erhaltene Offenporigkeit sorgt für ein behagliches Raumklima. Die Deckenverkleidungen sind mikroperforiert und dienen so auch einer guten Akustik.

Dank der vorgegrauten Lärchenholzschindeln wird das Erscheinungsbild des Bauwerks über Jahre hinweg beständig sein. (Foto: Christian Flatscher)
Lageplan
Grundriss Untergeschoss
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss 1. Obergeschoss
Grundriss 2. Obergeschoss
Grundriss 3. Obergeschoss
Schnitt 1
Schnitt 2
Bauwerk
Zentrale des Ötztaler Tourismusverbandes
 
Standort
Achweg 5, 6450 Sölden
 
Nutzung
Bürogebäude mit Tourismusinformation
 
Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft      
Ötztal Tourismus, Sölden
 
Architektur
obermoser + partner architekten zt gmbh, Innsbruck
Christoph Neuner (Projektleiter), Johann Obermoser, Christoph Neuner, Felix Fehr, Sandra Seeber und Andreas Norz
 
Fachplaner
Statik: ZSZ-Ingenieure, Innsbruck
HKLS: Alp Solar Klimadesign, Innsbruck
Elektrotechnik: Eidelpes Ingenieurbüro für Elektrotechnik, Innsbruck                              
 
Jahr der Fertigstellung
2021
 
Gesamtkosten 
EUR 4,5 Mio.
 
Gebäudevolumen 
7670 m3
 
Kubikmeterpreis
585 EUR/m3
 
Energiestandard
Klasse A+ (Gesamtenergieeffizienz)
  
Maßgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeisterarbeiten: Bauunternehmen Auer, Umhausen
Fassade und Holzfenster: Zimmerei Thurner, Hall in Tirol
Holzfenster: TipTop Fenster GmbH, Meransen/Mühlbach, Südtirol, Italien
Glasfassade Erdgeschoss: Nocker Metallbau GmbH, Navis
 
Fotos
Christian Flatscher, Innsbruck  

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