Traditionsbewusst modern
Das Team des Büros obermoser + partner hat die neue Zentrale des Ötztaler Tourismusverbandes in Sölden gestaltet. Die Tiroler Architekten erklären, wie sie eine zeitgenössische Formensprache mit der einheimischen Bautradition verknüpft haben.
Herr Obermoser, Herr Gasser, Herr Gastager, Herr Neuner, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Johann Obermoser: Die Lage an der Uferpromenade entlang der Ötztaler Ache im Zentrum von Sölden und der beengte Bauplatz waren die zwei ausschlaggebenden Entwurfsparameter. Unser kompakter Baukörper rückt hinter die frühere Baufluchtlinie zurück. Das ermöglichte uns, an der dem Fluss zugewandten Seite einen kleinen, vorgelagerten öffentlichen Platz zu schaffen. So wird die Funktion des Hauses als Sitz des Ötztaler Tourismusverbandes unterstützt: Gäste wie auch einheimische Besucher werden eingeladen, Informationen und Anregungen über die vielfältigen touristischen Angebote in der Ötztaler Bergwelt zu sammeln.
Thomas Gasser: Die repräsentative Bauaufgabe verlangte nach einer zeitgemäßen Gebäudeform, zugleich fiel die Wahl auf eine lokal vertraute und traditionelle Fassadenverkleidung: Lärchenholzschindeln. Diese Entwurfsentscheidung sendet eine vielseitig lesbare Botschaft aus: Der dynamische Baukörper mit einer modernen Formensprache baut Kontrast und Spannung auf und zieht so Aufmerksamkeit auf sich. Zugleich haben wir mit der traditionellen Fassadenverkleidung die regionale Bautradition aufgegriffen. So gliedert sich der Neubau gut zwischen die Bestandsbauten rundherum ein. Er passt nach Sölden und ins Tal.
Alexander Gastager: Der kompakte und scharf konturierte Baukörper neigt sich gleich einer verbeugenden Geste vor den Besuchern leicht zum Platz hin vor und steht so in starker Beziehung zum vorgelagerten öffentlichen Raum. Die einheitliche Pflasterung des Vorplatzes und des öffentlich zugänglichen Erdgeschosses verstärkt dieses Ansinnen. Und die mit großformatigen Scheiben verglaste Fassade zum Platz lässt das Gebäude noch einladender wirken.
AG: Unser Entwurf spiegelt die Aufgaben des Ötztaler Tourismusverbandes wieder und untermauert gleichzeitig unseren Anspruch, regional inspirierte Bauwerke innerhalb eines internationalen Architektur-Kontextes zu schaffen. Das geräumige und wie gesagt der Allgemeinheit zugängliche Erdgeschoss steht für die aufgeschlossene und nach vorne blickender Haltung des Ötztal Tourismus. Die Obergeschosse beherbergen unterdessen Büros und Besprechungsräume.
Christoph Neuner: Um die flexible Nutzung über einen längeren Zeitraum zu sichern, sind alle Bürogeschosse entsprechend dem Open-Space-Konzept um einen zentralen Betonkern mit Erschließung und Sanitärräumen organisiert, die tragende Fassade umschließt die Räume. Flexible Raumtrennungen in Form von raumhohen Glaswänden und Möbeln ermöglichen eine vielfältige Nutzung, wobei Änderungen jederzeit mit geringem Aufwand möglich sind.
CN: Unser Ziel war, das sich im Tagesablauf stetig ändernde natürliche Licht im Gebäude durch Öffnungen unterschiedlicher Größe bestmöglich zu nutzen. Die verschiedenartigen Öffnungen, die den holzverkleideten Baukörper »belebend« durchdringen, betonen zugleich seine kompakte Erscheinung.
JO: Hinsichtlich der Frage, welche Materialisierung am besten zu unserem Projekt passen würde, entschieden wir uns für eine begrenzte und bewusste Auswahl von Baustoffen mit starkem regionalen Bezug. Holz ist vor allem in den alpinen Regionen ein wunderbar lebendiger Baustoff, der sein Erscheinungsbild in Abhängigkeit vom lokalen Klima verändert. So tritt er immer wieder anders in Erscheinung und wird unterschiedlich wahrgenommen. Holz als regional verfügbarer Baustoff bedeutet zudem kurze Transportwege und somit einen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. So fiel unsere Wahl auf eine Fassadenverkleidung aus vorgegrauten Lärchenholzschindeln. Dadurch ist ein beständiges Erscheinungsbild des Baus über die Jahre hinweg gesichert.
CN: In den Innenräumen kam Eiche für Böden, Deckenverkleidungen und Möbel zum Einsatz. Die Oberflächen sind naturgeölt, die so erhaltene Offenporigkeit sorgt für ein behagliches Raumklima. Die Deckenverkleidungen sind mikroperforiert und dienen so auch einer guten Akustik.
Zentrale des Ötztaler Tourismusverbandes
Standort
Achweg 5, 6450 Sölden
Nutzung
Bürogebäude mit Tourismusinformation
Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
Bauherrschaft
Ötztal Tourismus, Sölden
Architektur
obermoser + partner architekten zt gmbh, Innsbruck
Christoph Neuner (Projektleiter), Johann Obermoser, Christoph Neuner, Felix Fehr, Sandra Seeber und Andreas Norz
Fachplaner
Statik: ZSZ-Ingenieure, Innsbruck
HKLS: Alp Solar Klimadesign, Innsbruck
Elektrotechnik: Eidelpes Ingenieurbüro für Elektrotechnik, Innsbruck
Jahr der Fertigstellung
2021
Gesamtkosten
EUR 4,5 Mio.
Gebäudevolumen
7670 m3
Kubikmeterpreis
585 EUR/m3
Energiestandard
Klasse A+ (Gesamtenergieeffizienz)
Maßgeblich beteiligte Unternehmer
Baumeisterarbeiten: Bauunternehmen Auer, Umhausen
Fassade und Holzfenster: Zimmerei Thurner, Hall in Tirol
Holzfenster: TipTop Fenster GmbH, Meransen/Mühlbach, Südtirol, Italien
Glasfassade Erdgeschoss: Nocker Metallbau GmbH, Navis
Fotos
Christian Flatscher, Innsbruck