Soziale Spannungen, Wohnungsnot, Klimanotstand – wie lassen sich die großen Herausforderungen unserer Zeit meistern?
Elias Baumgarten
5. April 2024
Das Projekt »Back Off!« des spanischen Büros m2ft architects für das slowenische Celje kam auf Rang zwei. (Visualisierung: © m2ft architects, Madrid)
Junge Architekturschaffende entwickeln beim Wettbewerb »Europan« frische Ideen und neuartige Konzepte. Die besten Arbeiten der 17. Auflage sind zurzeit im Vorarlberger Architektur Institut zu sehen.
Beim großen Nachwuchswettbewerb »Europan«, der schon seit 1989 jedes zweite Jahr ausgetragen wird, sind junge Architektinnen und Architekten aus ganz Europa dazu aufgefordert, neuartige Ideen und Konzepte zu entwickeln. Dabei wird aber nicht nur für die Schublade entworfen: Aus vielen Arbeiten sind durchaus schon Bauprojekte entstanden. Die Entwurfsaufgaben für den europaweiten Wettbewerb stellt in jedem Land eine nationale Agentur. Die 17. Austragung trug den Titel »Living Cities«. Mit anderen Worten: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten Rezepte entwickeln, um den Problemen unserer Zeit entgegenzuwirken: soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit, Wohnungsnot, Klimakrise und Umweltverschmutzung.
In Österreich konnten Projekte für die Vorarlberger Gemeinde Lochau, die Städte Wien und Graz sowie das slowenische Celje entworfen werden. Maßstab und Bauaufgabe waren dabei sehr unterschiedlich: In Lochau war ein neues Hafengebäude als Ersatz für die schwer baufällige Fähre zu gestalten, in Wien hingegen ging es um eine große Stadterweiterung; in Graz stand die Verkehrsinfrastruktur im Mittelpunkt und in Celje die Landschaftsgestaltung.
Die Arbeiten aller Preisträger und Nominierten sind zurzeit im Vorarlberger Architektur Institut (vai) zu sehen. Dort fand am 7. März auch die feierliche Preisverleihung für die österreichischen »Europan«-Projekte mit 50 Gestalterinnen und Gestaltern aus ganz Europa statt – der Wettbewerb trägt auch zur länderübergreifenden Vernetzung des Nachwuchses bei. Gezeigt werden in der Ausstellung auch Filme über die Standorte, in denen örtliche Persönlichkeiten zu Wort kommen. Außerdem kann man sich mit Kurzfilmen sehr niederschwellig einen ersten Eindruck von den Projekten verschaffen, bevor man die Pläne und Visualisierungen studiert.
In Lochau sollte ein neues Hafengebäude entworfen werden. Außerdem stellte sich die Frage, wie das Hafengelände besser ins Stadtgefüge eingebunden werden könnte. (Orthofoto: © Land Vorarlberg, Vorarlberg Netz, bearbeitet von Europan Austria)
Als besten Entwurf für Lochaus Hafen wählte die Jury das Projekt »Lochau Rural (H)arbour« von Atelier ehrmann:gruber aus. (Visualisierung: © Atelier ehrmann:gruber)
Der siegreiche Entwurf für Lochau übrigens stammt vom Atelier ehrmann:gruber. Christina Ehrmann und Christopher Gruber haben einen inklusiven Ort als Ersatz für die bestehende Anlage mit Hafengebäude, Restaurant und Kiosk entworfen, die, wie schon angedeutet, so heruntergekommen ist, dass sie nicht mehr instand gesetzt werden kann. Die jungen Architekturschaffenden haben auch überlegt, wie der Prozess von Abriss und Neubau gestaltet werden könnte, um die Menschen abzuholen und für das Vorhaben zu begeistern. Und auch über die Verknüpfung des Hafengeländes mit der übrigen Stadt haben sie nachgedacht. Ob ihr überzeugender Entwurf allerdings umgesetzt wird, sei fraglich, bremst Kurator Clements Quirin die Euphorie im Interview mit dem lokalen Radiosender Proton. Denn das Vergabegesetz verlange nach einem herkömmlichen Architekturwettbewerb, der nun folgen müsse. Dennoch: Die Überlegungen der Wiener könnten dabei zum Ausgangspunkt werden.
Blick in die Ausstellung, die noch bis zum 27. April dauert. (Foto: Darko Todorovic)
Während »Europan17« noch bis Ende des Monats läuft, bereitet das vai-Team bereits die nächste Schau vor: »Das Kranke(n)haus: Wie Architektur heilen hilft« wird sich um die Architektur von Spitälern drehen. Die vom Architekturmuseum der TU München übernommene Ausstellung fragt, wie Architektur die Genesung begünstigen, aber auch die Arbeitsbedingungen von Pflegern und Ärztinnen verbessern kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man Spitäler als Maschinen entworfen, sagt Clemens Quirin. Architektinnen und Architekten konzentrierten sich auf Effizienz und Hygiene. Heute jedoch, so der Kurator, habe ein Umdenkprozess eingesetzt, die Menschen stünden bei der Planung von Krankenhäusern mehr und mehr im Fokus. Es bleibt spannend im vai.