Neue Bescheidenheit
Manuel Pestalozzi
27. Oktober 2023
Der historische Bau des Kärntner Landesmuseums hat einen attraktiven Vorplatz erhalten, und ein Glasdach überspannt neu Eingangshalle und Innenhöfe. Die ZV hat die Umgestaltung nun ausgezeichnet. (Foto: © Paul Ott)
Beim »Bauherr:innenpreis« standen heuer sozial und ökologisch nachhaltige Bauten im Fokus. Geehrt wurden der Umbau des Kärntner Landesmuseums, die Marburgerhöfe in Graz und die Wiederbelebung der Hohenemser Altstadt.
Nicht nur talentierte Architekt*innen mit einer starken Haltung braucht es, damit zukunftsweisende Bauten entstehen, sondern vor allem auch die passenden Auftraggeber*innen. Sie schenken Vertrauen, sind ausdauernd und besonnen, fordern heraus und bringen nicht zuletzt die nötigen finanziellen Mittel ein. Darum würdigt die Zentralvereinigung der Architekt:innen Österreichs (ZV) schon seit 1967 mit ihrem Bauherr:innenpreis herausragende Bauten, Freiraumgestaltungen und städtebauliche Lösungen und fokussiert dabei eben nicht nur auf die Gestalter*innen, sondern ehrt explizit auch die Auftraggeber*innen.
In diesem Jahr wurden 110 Projekte eingereicht, wobei Nominierungsgremien in den Bundesländern 25 davon in die engere Wahl nahmen. Unter diesen bestimmte dann eine Jury bestehend aus Az W-Direktorin Angelika Fitz, der Schweizer Architektin Regula Harder und dem bayerischen Architekturprofessor Florian Nagler drei Preisträger.
Ganz bewusst lag der Fokus der Jury dabei auf dem Um- und Weiterbauten. ZV-Präsidentin Maria Auböck kommentiert dies wie folgt: »Der Klimawandel bedingt einen Kulturwandel für Architektur und Bauwesen – nicht morgen oder übermorgen, sondern sofort: Bestand erhalten und für die Zukunft ertüchtigen statt Abriss, vernünftige Kreislaufwirtschaft statt opulenter Materialschlacht, entsiegeln statt versiegeln, Partizipation und Gemeinwohl statt Profitgier.« Keine Frage, die heurige Preisvergabe ist als Ermutigung und Aufforderung an künftige Bauherr*innen zu verstehen, über soziale und ökologische Nachhaltigkeit nachzudenken und eine entsprechende Architektur einzufordern.
Es folgt ein Überblick über die drei Preisträger.
Die Ausstellungsgestaltung des Kärnten.Museums durch die Architekt*innen macht das Gebäude zu einem Gesamtkunstwerk. (Foto: © Paul Ott)
Die Umgestaltung des Kärntner LandesmuseumsEiner von drei Preisen ging an das Kärnten.Museum in Klagenfurt. Das Projekt war vom Amt der Kärntner Landesregierung in Auftrag gegeben worden, das 2016 einen Architekturwettbewerb ausgelobt hatte. Die Jury entschied sich damals für den Vorschlag des Klagenfurter Büros Winkler+Ruck, der die Qualitäten des historischen Baus zur Grundlage für dessen Umgestaltung macht.
Das Projekt, das in Zusammenarbeit mit Ferdinand Certov Architekten entstand, erhält den Bauherr:innenpreis auch aufgrund der gelungenen Neuinterpretation der Adressierung des Bestandsbaus zur Stadt. Der Eingang wurde entsprechend der historischen Raumstruktur an der Museumsgasse belassen. Eine umlaufende Chaussierung schafft jedoch für das prächtige Gebäude von Gustav Gugitz (1836–1882) einen prominenten Vorplatz, der die Besucher*innen gleichsam zum Eingang geleitet.
Die vorhandene Raumstruktur mit der Eingangshalle in der Mitte und den Innenhöfen daneben wurde mit einem Glasdach überspannt. Auf diese Weise sind zwei hohe Hallen entstanden, die im obersten Geschoss räumlich verbunden sind. Die Struktur des Bestandsbaus wurde geschickt mit neuen architektonischen Elementen wie Betonböden und -wänden, Metallglastüren mit schönen Griffdetails und feinteiligen Holzmöbeln ergänzt.
Die attraktiven Freiräume der Marburgerhöfe in Graz sind mit dem öffentlichen Raum der Stadt verwoben. Die robust ausgeführten Häuser verfügen über große Balkone und Außensitzplätze im Erdgeschoss. (Foto: © David Schreyer)
Marburgerhöfe – qualitätsvolle Architektur ist nachhaltigDie Wohnanlage Marburgerhöfe in Graz wurde von der STP Wohnungserrichtungs- u. Immobiliengesellschaft m.b.H. in Auftrag gegeben. Bei der Nachverdichtung im Stadtteil St. Peter setzte sie auf einen Wettbewerbsentwurf von balloon architekten.
Gekonnt sind die fünf Baukörper mit der Nachbarschaft verzahnt, und zwischen den Häusern finden sich schöne, grüne und vor allem autofreie Binnenräume. Die Grundrisse der Bauten sind straff organisiert. Alle Wohnungen verfügen über großzügige Balkone und Freiflächen. Die Bauherrschaft habe von der Bedeutung, welche der Ästhetik hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Gebäuden zukomme, nicht erst überzeugt werden müssen, sondern neben einer robusten Ausführung die Gestaltqualität in einem fruchtbaren Dialog mit den Architekt*innen eingefordert, meint Jurymitglied Florian Nagler anerkennend.
Lange war die Altstadt von Hohenems in Vorarlberg von Leerstand und Verfall gezeichnet. Inzwischen aber ist die Wende zum Guten gelungen. (Foto: © Karin Nussbaumer)
Die vorbildliche Wiederbelebung der Altstadt von HohenemsDie Renaissance des historischen Zentrums von Hohenems ist vor allem dem lokalen Unternehmer Markus Schadenbauer und seiner Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklungs GmbH zu verdanken. Wir haben seine Initative im vergangenen Jahr vorgestellt. Die Sanierung von 40 historischen Gebäuden an der Marktstraße, die in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt erfolgte, und das Auffüllen von Lücken durch Neubauten ließen die Jury des Bauherr:innenpreises staunen.
Gestaltet wurden die zahlreichen Neu- und Umbauten von Architekturbüros aus Vorarlberg und Tirol, darunter Nägele Waibel, Bernardo Bader Architekten, Georg Bechter Architektur + Design, HEIN architekten, Imgang Architekten sowie ma.lo architectural office und Michael Egger. Die historischen Bauten erstrahlen in neuem Glanz, doch vor allem bilden sie ein imposantes Ensemble. »Das kluge Weiterbauen von Bestand ist dabei der Schlüssel«, erklärt Angelika Fitz und lobt: »Das schrittweise Vorgehen ermöglicht scheinbar Unmögliches. Langfristiges Sorgetragen sichert den Erfolg. Möge diese Strategie noch viele Erweiterungen in Hohenems und Nachahmungen allerorts finden!«
Die feierliche Übergabe der Preise fand am 13. Oktober im Festspielhaus Bregenz statt.