Ohne engagierte Bauherrschaften ist gute Architektur schwerlich möglich

Manuel Pestalozzi
26. Oktober 2021
Der Panoramalift Steyr verbindet den Stadtteil Steyrdorf mit der Anhöhe Tabor. Die Jury schätzt nicht nur die architektonische Qualität der Anlage hoch ein, sondern lobte in ihrer Beurteilung auch das Fahrerlebnis. (Foto © Mojo Reitter)

Der Bauherrenpreis wird von der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV) vergeben. Schon seit 1967 werden hervorragende Bauten gewürdigt, die ihre Qualität aus der besonders engen und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Architekt*innen und ihren Bauherrschaften ziehen. Eingereicht werden konnten in Österreich ausgeführte Bauten, Freiraumgestaltungen oder auch städtebauliche Anlagen, die in den letzten drei Jahren verwirklicht wurden.

152 Projekte wurden dem Preisgericht insgesamt vorgelegt. Die Bewertung erfolgte in einem zweistufigen Prozess: Pro Bundesland konnten zunächst maximal drei Bauten von den jeweiligen Nominierungsjurys ausgewählt werden. Die Hauptjury, bestehend aus den Architekten Peter Riepl und Roger Riewe sowie Angelika Schnell, Professorin für Architekturtheorie und -geschichte an der Akademie der bildenden Künste in Wien, ermittelte aus den 24 verbliebenen Projekten danach sechs Preisträger.

Das Schulzentrum Gloggnitz stärke mit seiner Architektur das Ortszentrum ringsherum, befand die Jury. (Foto © David Boureau)
Baukulturelle Schlüsselposition

Logischerweise manifestiert sich in den ausgezeichneten Projekten nicht nur der Gestaltungswille der Architekt*innen – vielmehr sind sie in besonderem Maße Ausdruck der Wünsche, Bedürfnisse und vielfach der starken Haltung der Auftraggeber*innen. Diesbezüglich fällt auf, dass alle Bauherrschaften ausschließlich aus dem öffentlichen, nicht-kommerziellen Bereich stammen. Einige sind sozial überaus engagiert. Mehrfach legten Beteiligte bei der Realisierung ihrer Projekte auch selbst Hand an. »Investorenarchitektur« hingegen ist unter den ausgezeichneten Projekten nicht vertreten. Dies unterstreicht wieder einmal, was an sich ohnehin schon immer klar ist: Qualitativ hochstehende Architektur braucht außerordentliches persönliches Engagement von allen Beteiligten. Allerdings dürfen nicht nur wenige öffentliche Bauten und beseelte Liebhabereien baukulturell wertvoll sein. Hoffentlich können die ausgezeichneten Projekte für die Zukunft eine Vorbildfunktion übernehmen und weitere Bauherrschaften ermutigen, auf qualitätsvolle Architektur zu setzen.

Das VinziDorf des Vereins Vinzenzgemeinschaft Eggenberg beherbergt in Wien Alkoholkranke und gibt ihnen eine neue Perspektive. Soziales Engagement und Architektur überzeugten die Jury gleichermaßen. (Foto © Kurt Kuball)
Die Auferstehungskapelle Straß vermittelt Nähe, Zugehörigkeit und Offenheit. (Foto © Albrecht Schnabel)
Das Tiroler Steinbockzentrum in St. Leonhard im Pitztal dokumentiert die Geschichte der Ausrottung und Wiederansiedlung des Alpentiers. Mit dem Projekt soll der Spagat gelingen zwischen touristischer Aufwertung und dem Erhalt der wertvollen Natur- und Kulturlandschaft im oberen Teil des Tals. (Foto © Lukas Schaller)
Das Sigmund-Freud-Museum befindet sich in jenem Wiener Haus, in dem der Begründer der Psychoanalyse einst lebte und arbeitete. Die Gestaltung der Innenräume überzeugte die Juror*innen. (Foto © Hertha Hurnaus)
Die ausgezeichneten Bauten im Überblick
 
  • Schulzentrum Gloggnitz
    Bauherrschaft: Stadt Gloggnitz
    Architektur: Dietmar Feichtinger Architectes
    Freiraumplanung: Dietmar Feichtinger Architectes
  • Auferstehungskapelle Straß
    Bauherrschaft: Kapellenverein Straß 
    Architektur: LP architektur
  • Panoramalift Steyr
    Bauherrschaft: Stadtbetriebe Steyr
    Architektur: reitter_architekten 
  • Tiroler Steinbockzentrum, St. Leonhard
    Bauherrschaft: Gemeinde St. Leonhard 
    Architektur: ARGE aus Atelier Rainer Köberl und Daniela Kröss
  • Sigmund-Freud-Museum, Wien
    Bauherrschaft: Sigmund-Freud-Privatstiftung
    Architektur: Atelier Hermann Czech mit ARTEC Architekten
  • VinziDorf Wien
    Bauherrschaft: Vinzenzgemeinschaft Eggenberg – VinziWerke
    Architektur: gaupenraub +/- 

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