Blick hinter die Kulissen

Elias Baumgarten
31. Mai 2019
Das Team von feld72 öffnete sein Büro an den Architekturtagen für Kolleg*innen und Interessierte. (Foto © Hertha Hurnaus)

Von Vorarlberg bis ins Burgenland und von Kärnten bis Niederösterreich drehte sich vergangenen Freitag und Samstag (fast) alles um Architektur: Im Rahmen der Architekturtage 2019 fanden allerorten Diskussionen, Ausstellungen und Führungen statt. Auch hatten viel Büros ihre Türen für Kolleg*innen und Interessierte geöffnet. Dabei konnten spannende Einblicke in ihre Arbeitsweisen gewonnen und ihre neusten Projekte inspiziert werden. Der Andrang war groß. Wir machten uns heuer nach Wien auf, um die zehnte Ausgabe der Architekturtage in der Hauptstadt zu erleben. Zahlreiche Büros und einige Führungen haben wir besucht. Lassen wir die beiden Tage folgend schlaglichtartig Revue passieren.

Aufsteiger: Misa Shibukawa und Rapaehl Eder sind derzeit so erfolgreich, dass sie kürzlich in ein größeres Büro verlegen mussten. (Foto © SHIBUKAWA EDER ARCHITECTS)
Im Wachsen

Gerade erst haben Misa Shibukawa und Rapaehl Eder mit ihrem Team ein neues Büro in einem feinen Altbau gleich beim Naschmarkt bezogen. Das alte war, wie uns Misa Shibukawa erzählte, für das rasch wachsende Team zu klein geworden. Denn weil die junge Truppe zuletzt mehrere große Wettbewerbe gewonnen hat und gerade an der Umsetzung von Projekten wie der Erweiterung eines denkmalgeschützten Baus in der Wiener Zirkusgasse oder der Landesberufsschule Schrems arbeitet, musste die Workforce mit zusätzlichen Mitarbeiter*innen erhöht werden.

Das Stiegenhaus des neuen Hauses am Park in Wien von feld72 ist eine Begegnungszone. (Foto © Hertha Hurnaus)
Gemeinschaft stimulieren

Auch feld72 sind an Wettbewerben erfolgreich. Doch wie Richard Scheich erklärte, sieht das Team die Konkurrenzverfahren in Österreich kritisch. Es mangle an offenen Wettbewerben, monierte er, und zu oft würden die immer gleichen und bereits etablierten Büros eingeladen. Junge Architekt*innen täten sich in dieser Umgebung schwer und bisweilen sei ihnen der Zugang zu großen Aufträgen gänzlich versperrt.

Eine wichtige Rolle in der Arbeit von feld72 spielen Wohnbauten. Das Team beschäftigt sich immer wieder mit der Frage, wie qualitätsvolle Gemeinschaftsräume aussehen könnten. Aktuell arbeitet es etwa an einem Wohnhaus im Wiener Entwicklungsgebiet Neu Leopoldau. Bei dem Bau soll ein »Dorf im Haus« entstehen: Die Erschließung wird zu einem Stapel von großzügigen Gemeinschaftsräumen erweitert. Durch große Schaufenster soll man von hier aus in jeweils ein Zimmer der Wohnungen blicken können. In diesen Räumen könnten die Bewohner*innen zum Beispiel kleine Läden unterbringen, hoffen die Architekt*innen. Blauäugig sind sie dabei nicht: »Es wird wichtig sein, die richtigen Mieter*innen zu haben, die dieses Angebot entsprechend nutzen und nicht einfach die Scheiben abkleben«, sagte Scheich. Um den erhöhten Flächenverbrauch zu finanzieren, wird das Haus besonders günstig aus Fertigteilen gebaut.

So soll das Haus von feld72 in Neu Leopoldau einmal aussehen. (Visualisierung: RIVIERA | MORETTI)
GERNER GERNER PLUS arbeiten gerade am Lebenscampus Wolfganggasse mit 326 Wohnungen und einem Heim mit 170 Betten. (Visualisierung © GERNER GERNER PLUS)
Unabhängig

GERNER GERNER PLUS haben sich an der Mariahilfer Straße 101/3/51 in einem schönen Büro eingerichtet. Beim Besuch lernten wir, dass die Architekt*innen all ihre Projekte in eigenständigen Kleingruppen bearbeiten. So wird es dem Team möglich, viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Überall im Büro sind die neusten Pläne und Visualisierungen aufgehängt und Modelle ausgestellt. So soll ein intensiver Austausch zwischen den Gruppen gepflegt und befördert werden.

In seine Unabhängigkeit und Außenwahrnehmung investiert das Büro viel. Einen eigenen Modellbauer hat man ebenso angestellt wie einen Visualisierer und einen Fotografen. Das erleichtert einerseits Veröffentlichungen, weil zum Beispiel Bildrechte nicht erst abgeklärt und eingekauft werden müssen, und erlaubt – noch wichtiger – aus der immer gleichen Bildsprache der großen Visualisierer und bekannten Fotograf*innen auszubrechen und so hervorzustechen.

Die Gasometer im Osten Wiens (Foto: Elias Baumgarten)
Schmutziger Charme

Im Südosten Wiens liegen die Quartiere St. Marx und Simmering. Hier befanden sich einst der große Schlachthof der Stadt und der Viehmarkt. Auch die Schwerindustrie war dort angesiedelt. Sensible Anlagen – etwa zur Gasversorgung der Stadt – waren überdies in den Quartieren untergebracht. Heute ist der riesige Raum ein Entwicklungsgebiet. Seit Jahren wird geplant, projektiert und wieder verworfen, doch in den nächsten Dekaden sollen (endlich) viele neue Wohn-, Geschäfts- und Kulturbauten entstehen. An den Architekturtagen fand eine spannende Führung statt, ein Streifzug durch die Reste des Wilden Ostens Wiens von St. Marx zum Campus der Wiener Netze vorbei an den berühmten Gasometern. Dabei lernten die Teilnehmer*innen über die Geschichte des Gebiets und erfuhren zum Beispiel, dass es als Standort für Industrieanlagen und den Schlachthof vor allem ausgewählt wurde, weil der Wind zumeist verschmutzte Luft und üble Gerücht von der Stadt weg nach dem Osten blies. Auch war zu erfahren, dass derzeit einige Pioniernutzer*innen, die beispielsweise an Urban Gardening-Projekten arbeiten, die Transformation des Industriequartiers zur urbanen Zone vorantreiben. 

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